Uga sass mit Nebrot dicht am Lagerfeuer und starrte nachdenklich in die sternenklare, aber dennoch tiefschwarze Nacht hinaus. "Überhaupt scheint hier alles dunkler zu sein als in all den anderen Tälern, in die ich jemals meinen Fuss gesetzt habe. In den Wintermonaten schafft es die Sonne ja nicht einmal richtig, am Horizont emporzuklettern! War das hier schon immer so?" Nebrot antwortete nicht, sondern stocherte nachdenklich mit einem Ast in der Glut des Feuers herum.
"Eine innere Unruhe befällt mich des öfteren in der Nacht!" wich Nebrot ein wenig Ugas Frage aus, "Ich kann nachts kaum schlafen, weil ich immer das Gefühl habe, dass die Sturmwinde mit mir flüstern!"
Uga sah seinen neuesten Zögling lange ernst an und zog sich die wärmenden Felle höher und enger um die Schultern. "Das verstehe ich nicht ganz, Nebrot!" wunderte er sich, "Du bist doch schon lange hier unterwegs, du müsstest die Stürme und Schneeschauer doch gut kennen!"
Vor der Höhle huschten einige Spitzmäuse wie kleine Schatten umher und fiepten aufgeregt in der Hoffnung, die Aufmerksamkeit des großen Gottes zu erregen. Sie wussten genau, dass die beiden Beratenden in der Höhle bereits gegessen hatten, und Uga warf ihnen immer die restlichen Krummen hinaus, damit sie in der Kälte etwas zu futtern hatten. Gedankenverloren stand Uga auf und fütterte die kleinen Wildtiere. Er sah ihnen beim Fressen zu und wandte sich dann wieder seinem Halbgott zu. "Verheimliche mir nichts, Nebrot! Sag, wie es ist! Ich merke doch, dass Dich etwas beunruhigt. Besser, wir sehen den Tatsachen und Gefahren jetzt ins Auge und können darauf reagieren und uns vorbereiten, als wenn es zu spät ist und meine Kindchen in Gefahr geraten. Wenn sie es nicht bereits sind!"
Nebrot nickte zustimmend. "Ja, das ist mir duchaus bewusst, Herr. Nur wie soll ich etwas Euch vor etwas warnen, was ich selber noch nicht begreifen kann? Irgendwelche alten Mächte schlummern noch verborgen in diesem Tal, oder sind bereits am erwachen, so genau weiß ich es noch nicht einmal. Aber ich weiß weder wo, noch wie, noch was sie im Schilde führen! Aber das wussten wir ja bereits.Wenn Ihr Details haben wollt, ich kann sie leider im Moment nicht anbieten."
Uga nickte bekümmert und beruhigte den aufgeregten Nebrot. "Ich weiß, Du gibst Dir alle Mühe, die Geheimnisse des Tales zu entschlüsseln. Aber ich will meine Kindchen warnen, zumindest insoweit, dass sie wissen sollten, dass etwas Unheilvolles im Tal lauert. Damit sie die Augen offenhalten und uns informieren können, wenn Ihnen etwas Ungewöhnliches auffällt. Einer der alten Stämme hat bereits Boten zu mir geschickt mit der Kunde, dass sich im Tal seltsames abspielt. Mein Bruder Agga scheint im Moment sehr aktiv zu sein, also scheint auch er etwas zu wissen oder zu ahnen. Je mehr Augen aufpassen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir rechtzeitig gewarnt werden, wenn sich etwas Unheilvolles anbahnt."
"Du willst sie warnen? Du willst, dass sie Hinweise suchen? Findest Du das nicht etwas gefährlich, wenn keiner genau weiß, worauf er sich da einlässt?" platzte Nebrot erstaunt heraus.
Uga lachte schallend. "Nebrot, mein Schüler, du musst wirklich noch sehr viel lernen. Vor allem über meine Anhänger. Sie sind nicht die harmlosen Blümchenpflücker, für die man sie gerne hält. Sie wissen durchaus zu kämpfen, und wenn es notwendig ist, sind sie die härtesten und mutigsten Krieger, die man sich denken kann. Nur weil sie Gewalt als Lösung verabscheuen und immer erst einen friedlichen Weg der Einigung suchen heißt es noch lange nicht, dass sie nicht wissen würden, wie man die Kriegskeule effizient führt. Aber ich sehe, du scheinst wirklich in letzter Zeit zu wenig erholsamen Schlaf zu bekommen," stellte er mit einem sorgenvollen Blick auf den ein Gähnen unterdrückenden Schüler fest. "ich schlage vor, ihr zieht Euch heute Nacht in meine schützende Höhle zurück und versucht, Euch ein wenig auszuruhen."
Dankbar nahm Nebrot das Angebot an, nickte Uga "Gute Nacht" zu und verschwand sofort in Richtung der Lagerstätte. Uga setzte sich in den Höhleneingang und murmelte einige unverständliche Sätze, die Nebrot einen tiefen und ungestörten Schlaf sichern sollten.