Unter der Erde

Darbo und Vorak waren auf einem Spähzug durch die Umgegend der Höhle ihres Häuptlings. Das Tal war ruhiger geworden, aber unter der Oberfläche schwelten viele Konflikte. Dieser Tage musste man vorbereitet sein. Vorak hielt neben einem mannshoch wuchernden Farn inne: "Darbo, sieh dort der Leichnam!" "Nur eine weitere tote Amazone - was soll daran ungewöhnlich sein?" "Sie das Wappen auf ihrer Kleidung...es ist das Symbol des Alten Mannes! Lass uns die Sache näher untersuchen."
Die beiden drehten die Leiche um. Es waren kaum Spuren von Verwesung zu erkennen, ihr Tod konnte noch nicht lange zurückliegen. Als der leblose Körper auf den Rücken fiel, sahen sie die Schriftrolle - immer noch krampfhaft umklammert von toten, kalten Fingern. Ein paar unappetitliche Schnitte mit dem Steinmesser später hielten sie das Pergament in Händen. Wortlos sahen sie einander an. Das Schicksal hatte wieder einmal beschlossen, sie beide ins Zentrum des tobenden Sturms der Geschichte im Iskra-Tal zu stoßen...

Leicht strich eine warme Brise über den farnbestandenen Hang. Ein Vogel zwitscherte eine kurze Melodie, sonst war nichts zu hören als das Trompeten einer fernen Mammutherde und das Gluckern eines kleinen Gebirgsbachs. Ein zweiter Vogel antwortete weiter in der Ferne, dann fiel ein dritter in die Melodie ein. Augenblicke später erfüllte wieder nur das leise Rauschen des abendlichen Winds im grünen Blättermeer des Iskra-Tals die Luft.

An einer kahlgeschlagenen Stelle am Fuß des Hanges kletterte ein halbes dutzend Männer über die Felsen und hielt immer wieder inne. Noch etwas weiter unten hatten sie bereits eine kleine Behausung errichtet, dort röstete ein Hase über einer Feuerstelle und einige Frauen zerstampften Körner in hölzernen Schalen. Einer der Männer rief die anderen zu sich, aufgeregt mit den Armen wedelnd. Immer wieder zeigte er auf eine Stelle der Felswand vor ihm und gestikulierte mit seinem Speer.
Der Vogel erhob wieder seinen Gesang, diesmal eine andere Melodie pfeifend. Wieder erfüllten die Stimmen zweier anderer die Abendluft.
Die Sonne verschwand für einen Augenblick hinter einer in sanftes rot-orange getauchten Wolke am Abendhimmel. Lächelnd blickte der Mann an der Felswand zu dem Farbenspiel am Abendhimmel auf. Noch immer lächelnd sank er zu Boden, als das Messer der Assassine seine Kehle geöffnet hatte.

Als die Sonne wieder hinter der Wolke hervortrat, fiel warmes Abendlicht auf kälter werdene Körper. Der Hase briet immer noch über dem Feuer, aber niemand war mehr dort, um ihn zu verspeisen. Wieder erklang die Stimme des Vogels. Sein Lied klang traurig.